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Reisenotizen Bermuda
Traumhafte Strände, bissige Winde, giftiges Getier
Tag 7: Ein Kajak für zwei
Veronica wirk heute morgen etwas konfus. Zuerst tippt oder errät sie meine Zimmernummer zweimal falsch, dann fällt ihr auch noch der Zettel, wo sie die Nummer notiert, aus den Händen. Natürlich helfe ich ihr.
Eine Dame am Tisch neben mir sagt mir irgend etwas. Ich nicke, da ich sie nicht verstanden habe. Es wird wohl um das Essen oder das Personal gehen. Meine Englisch-Konversation ist immer noch sehr verbesserungsfähig.
Am Strand kommt zunächst keine Stimmung auf – keine Sonne, kein Feeling. Das ändert sich aber bald. Der Strand wird immer voller. Sogar die Sportgeräte – zum Glück alle ohne Benzinmotor – finden heute Anklang. Die Sommersaison scheint langsam zu beginnen. Ich weiß nicht, ob es heute Mittag nur im Pool-Restaurant oder auch im Speisesaal Essen gibt. Ich bleibe beim Pool – sicher ist sicher.
Nach einer kurzen Pause im Zimmer geht's natürlich wieder ab an den Strand. Zuerst passiert wenig. Dann kommt plötzlich eine ältere Dame mit breitkrempigem Hut und Tüchern bekleidet auf mich zu. Sie fragt mich, ob ich schon mal Kajak gefahren sei. Jetzt erkenne ich sie. Sie saß heute morgen beim Frühstück neben mir. Was will die nur? Ich verneine und sage, dass Wassersport nichts für mich sei. Sie meint, sie wäre schon gefahren und so weiter und so fort. Und dann kommt es: Sie fragt mich, ob ich mit ihr Kajak – es sind Zweisitzer – fahren wolle. Ich bin im ersten Moment perplex und geschockt; lasse mir aber nichts anmerken. Ich lehne höflich ab und sage, dass ich das Meer nur zum Schwimmen gebrauche, aber dafür sei es hier zu kalt. Sie nimmt's sportlich und geht. Ich kann's immer noch nicht fassen. Ich meine, die ist etwa sechzig oder knapp davor oder so. Keine Ahnung, ob die einen leichten Schlag erwischt hat. Irgendwie ist es ja auch süß, und trotzdem, so nötig habe ich es nun auch wieder nicht... Wer weiß, wenn die mit mir in eine Grotte gepaddelt wäre und sich dort an mir vergangen hätte...? Vielleicht wollte sie auch nur Kajak fahren – keine Ahnung. Ich komme mir auf alle Fälle ziemlich alt vor... Jetzt wirke ich schon anziehend auf die 4711er-Fraktion, und das in der Blüte meines Lebens.
Der Schock hält weiter an; da werfen sich vor mir zwei «wackere» Amerikanerinnen in die Liegestühle. Die sind deutlich jünger und mit der einen wäre ich sogar Motorboot gefahren, wenn sie denn gefragt hätte...
Schlussendlich setzen sich dann auch noch zwei Männer – ich würde sagen die sehen aus wie Tamilen – genau auf die Stühle neben mir. Und sie reden und reden... Ich nerve mich bereits leicht, weil ich finde, so nahe bei mir hätten sie nun auch nicht gerade sitzen müssen. Aber ich bleibe, denn ich war zuerst hier. Plötzlich beginnt einer der beiden das Gespräch mit mir. Ich bin da immer etwas misstrauisch. Er sei der Hotel-Manager oder so etwas in der Art – genau weiß ich es nicht mehr – und er schüttelt mir die Hand. Dann fragt mich der Hellere der beiden, ob ich hier im Hotel logiere. Als ich bejahe, meint er, ob ich ihn denn noch nie gesehen hätte. Ich muss passen. Er wäre der Front Desk Manager und würde dort arbeiten. Aha... Dann wollen sie natürlich wissen, woher ich komme. Beim Wort «Schweiz» leuchten ihre Augen weihnachtlich. Der Dunklere meint, dass wäre ein tolles Land und diese Jahr hätte es ihn beinahe zum Skiurlaub dorthin verschlagen. Alle wären so freundlich dort und sie beide seien aus Sri Lanka und es gäbe ja viele davon in der Schweiz. Ich erzähle, dass mir die Schweiz klimatisch zu kalt sei und ich viel lieber hier bleiben würde. So richtig abnehmen wollen mir auch die beiden das Ganze nicht. Im Urlaub würde doch alles toll aussehen. Ein bisschen recht haben sie natürlich schon. Jetzt möchte Siri – das ist der Dunklere, der andere heißt Para – wissen, was ich arbeite und aus welchem Teil der Schweiz im stamme. Para's Wissensdurst geht in Richtung Sprachen. «Welche Sprachen außer englisch sprechen Sie noch?» Ich antworte, dass ich eigentlich nur deutsch richtig könne, respektive dies meine Muttersprache sei. Sie sind sich dahingehend einig, dass ich sehr gut englisch sprechen würde. Eigentlich könnten die ja für mich nach einem Job Ausschau halten. Stattdessen hält mir Siri unvermittelt sein Telefon hin; sein Bruder, der in Deutschland lebe, sei dran. Er spreche deutsch. Perplex nehme ich das Ding. Toll! Was soll ich mit dem reden? Ich melde mich mit «hallo?». Die Stimme am anderen Ende der Leitung möchte wissen, wo in Deutschland ich denn leben würde. Ich korrigiere ihn. Er meint, wir würden uns aber trotzdem gut verstehen. Das war's dann auch schon.
Jetzt bieten sie mir zu trinken an. Ich lehne ab. Zum Glück, denn ich sehe, dass sie Bier dabei haben. Siri stürzt sich in die kalten Fluten, Para lacht sich eins und kurze Zeit später verabschieden wir uns voneinander. Para werde ich morgen am Desk wieder treffen. Er arbeitet von 09.00 Uhr an. Ich benötige ein Bus-Abo für April.
Beim Abendessen – ich bevorzuge wieder einmal den größeren Saal – wird heute nicht nur beim Hinsetzten galant der Stuhl zurückgeschoben, sondern sogar die Serviette auf dem Schoss platziert. Die Kajak-Wachtel sitzt natürlich wieder in meiner Nähe... Der Shrimp-Cocktail und der Adler sind wie eigentlich alle Speisen hier vorzüglich. Die Bar ist mehr ein Durchgang und mir einfach immer noch nicht sympathisch. Trotzdem nehme ich einen Sambuca – keine Ahnung wie der schmeckt. Nach einem Schluck ist alles klar – ist von Resil-Hustentropfen beinahe nicht zu unterscheiden. Im Zimmer über mir ist es nicht mehr laut. Vielleicht ist die Bande rausgeflogen oder es gibt nichts mehr zum Zertrümmern... Para meinte heute, es währen viele Kinder angekommen – den Eindruck hatte ich ja auch bereits – da scheinbar eine Art Turnveranstaltung auf der Insel stattfindet.
Ich genieße noch etwas den sehr milden Abend, bevor ich auch diesen Tag beschließe.
Fortsetzung folgt...
Der gesamte Reisebericht ist als Buch bei mir persönlich erhältlich.




